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Kultur- und Begegnungsbahnhof in Rottendorf

Als in Europa das Jahrhundert der Bahn begonnen hatte, dauerte es nicht lange, und die Kommunen, die entlang der nun neu entstehenden Verkehrsadern lagen, errichteten je nach selbst zugeschriebener Bedeutung oder auch entsprechend ihrer Finanzkraft herrschaftliche Bahnhofsgebäude.

Kulturbeflissenheit und Modernität demonstrieren

Insbesondere in der sogenannten Gründerzeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden Verkehrspaläste in den unterschiedlichsten Neo-Stilen errichtet, um den Reisenden an den neuen Stadteingängen Kulturbeflissenheit, Macht und Modernität zu demonstrieren. Auch kleine Gemeinden, deren Bahnhofsanlagen ursprünglich oft weit vor den Toren der Ansiedlung, eben am Bahndamm, errichtet wurden, setzten einen hohen Ehrgeiz darein, mit einer zweckmäßigen und schönen Nutzarchitektur auf sich aufmerksam zu machen.

Verblasste Schönheit

Teilweise leerstehend und in verblasster Schönheit fanden die Architekten das über 170 Jahre alte Bahnhofsgebäude von Rottendorf vor, das von Anfang an eine architektonische Landmarke an einem Bahnverkehrsknotenpunkt
bildete. Denn in Rottendorf laufen die Bahnstrecken Nürnberg-Würzburg und Bamberg-Rottendorf zusammen. Schließlich gelang der Anschluss Rottendorfs an die sogenannte Ludwigs-Westbahn, die eine Verbindung nach Aschaffenburg brachte und für die Kommune große soziale und ökonomische Auswirkungen hatte.

In der Retrospektive kann man unter anderem erkennen, wie sich das landwirtschaftlich geprägte Dorf Rottendorf aufgrund der Bahnanbindung nach und nach zur Trabantenstadt Würzburgs entwickelte.

Der demokratische Souverän tritt in Erscheinung

Die Gemeinde Rottendorf konnte 2014 das Gebäude, von dem bekannt ist, dass es 1855 von dem Architekten Gottfried von Neureuther umgebaut und erweitert wurde, erwerben. Im Sommer 2023 ist das Bahnhofsgebäude reaktiviert, erweitert und für eine vielfältige öffentliche Nutzung neubelebt an die Kommune übergeben worden.

Ein Erweiterungsbau schließt sich seither an die Nordseite des historischen Bahnhofs an. Und das Gebäudeensemble bildet nun wieder einen pointierten Stadteingang, der die Besucher Rottendorfs in die Kommune einlädt und es ermöglicht, dass sich der demokratische Souverän hier präsentiert.

Sichtbetonfassade als Folie für die Geschichte

Die Architekten haben mit ihrer Umbauidee das ursprüngliche Konzept Neureuthers aufgegriffen und die Gestaltung im Stil der Neo-Renaissance erhalten, sichtbar gemacht und durch moderne architektonische Elemente
ergänzt. Vor allem die heute gültigen technischen Standards und die Anforderungen an Barrierefreiheit und Energieeffizienz galt es zu realisieren. Die Fassaden des Bahnhofsgebäudes wurden auf die bauzeitliche Erscheinung, die in alten Fotodokumenten vorliegt, zurückgeführt. Der Erweiterungsbau mit seiner Sichtbetonfassade ergänzt das historische Gebäude nun sachlich und selbstbewusst.

Die östliche, der Bahnlinie zugewandte Fassade ist zum Schutz vor Schallimmissionen komplett geschlossen gehalten. An dieser Wandfläche gestaltete Matthias Braun im Maßstab 1:1 ein Flachrelief, das als „Hingucker“ für die Passagiere in den vorbeifahrenden Zügen gedacht ist und eine aus zehn Millimeter starken Aluminiumblechen gefügte, stilisierte Version der Original Dampflokomotive Typ „Rottendorf“ aus dem Jahr 1855 zeigt.

Die westliche, dem Bahnhofsplatz zugewandte Fassade öffnet sich dagegen zum kleinen Vorplatz, der so zum Entree für das Gebäude und in den Ort wird.

Funktional für Bahnnutzer – multifunktional für Kultur und Begegnung

Im Erdgeschoss des ehemaligen Bahnhofsgebäudes ist neben einem klassischen Wartebereich für Bahnreisende eine Eisdiele eingerichtet. Das ebenfalls dort situierte Foyer wird von der Garderobe und den Sanitäranlagen begleitet. Der Erweiterungsbau bietet einen 150 Quadratmeter großen, multifunktionalen Veranstaltungsraum, dem die erforderlichen Anräume zugeordnet sind. Dieser Saal kann beispielsweise für Ausstellungen und Veranstaltungen der darbietenden Künste genutzt werden. Das Obergeschoss bietet jetzt Raum für eine Krabbelgruppe sowie einen Saal für Vorträge und kleinere Veranstaltungen. Von dort aus kann eine Aussichtsterrasse über dem Dach des Erweiterungsbaus genutzt werden. Im Dachgeschoss schließlich befinden sich die Übungsräume des Musikvereins.

Projektdaten

Kultur- und Begegnungsbahnhof Rottendorf
Bahnhofstraße 4
97228 Rottendorf

Bauherr
Gemeinde Rottendorf

Art der Nutzung
Reaktivierung des alten leerstehenden
Bahnhofsgebäudes mit einer Vielfalt
an öffentlichen Nutzungen

Nutzfläche
694 m²

Bruttogrundfläche
1.020 m²

Bruttorauminhalt
3.912 m³

Leistungen Jäcklein Architekten
Architektur
Freiflächenplanung
Brandschutzkonzept
Energiekonzept

Energieausweis nach ENEV 2016
Unterschreitung Primärenergie Altbau um 61%
Unterschreitung Primärenergie Neubau um 28%

Mitarbeit
Marcel Weimar, Karsten Otto, Andrea Wirth,
Juhani Karanka, Matthias Braun

Statik
mbi Mittnacht Ingenieure, Würzburg

HLS-Planung
Rauch + Richter Ingenieure, Gochsheim

Elektroplanung
WSR Elektroingenieure, Estenfeld

Fertigstellung
Mai 2023

Kunst am Bau
Matthias Braun, Würzburg

Text
Rüdiger Klein, Bamberg

Fotos
Gerhard Hagen, Bamberg

Auszeichnungen
Architektouren 2024
Bester Bahnhof Mainfrankens,
lt. Radio Charivari

Veröffentlichungen
Jahresbericht
Städtebauförderung
2023 Regierung von
Unterfranken