Ornament und Brutalismus
Verbandsschule Volkach Haus III
Brutalismus
Das Haus 3 der Verbandsschule Volkach ist ein Vertreter des sogenannten Brutalismus, einer Stilrichtung vor allem aus den 1960er und 70er-Jahren. Der Begriff kommt aus dem französischen „Beton Brut“ und steht für rohen, sichtbaren Beton.
Während Architekten die einzigartige ästhetische und architektonische Kraft, die Rohheit und Unverblümtheit von Betonbauten erkennen, sehen viele Menschen nur einen „ästhetischen Vandalismus“, den es zu beseitigen gilt. Für sie steht der Begriff Brutalismus für eine Architektur, die die Maßstäbe historischer Bebauung sprengt. Für einen Städtebau, der Wohnen und Arbeiten trennt und für das Elend auto-, aber nicht menschengerechter Städte. Viele Vertreter dieser Epochen wurden deswegen trotz Widerstand aus den Reihen der Architekten bereits abgerissen oder
sind mit Wärmedämmung verkleidet. Erst seit Beginn der 2000er-Jahre gibt es Initiativen, auch von Seiten der Denkmalämter, diese Kolosse aus dem Brutalismus zu erhalten und zu sanieren. Zuletzt konnte der Mäusebunker der Charité in Berlin aus den 1970er-Jahren unter Denkmalschutz gestellt werden. Das Gebäude ist ein gigantischer Pyramidenstumpf aus Sichtbeton mit blauen Lüftungsrohren, die wie die Kanonen des Panzerkreuzers Potemkin aus der Fassade ragen. In einem „etwas kleineren“ Maßstab wollten Jäcklein Architekten zum Erhalt eines der letzten relevanten Bauwerke des Brutalismus in der Region beitragen.
Deshalb schlugen sie 2018 zaghaft vor, die Sichtbetonfassade beim Haus 3 der Verbandsschule Volkach zu halten. Die Idee stieß aber auf keine Gegenliebe – weder beim Bauherrn, noch bei den Nutzern. Denn die Fassade wurde als ausgesprochen hässlich wahrgenommen.
Schulbauboom nach Babyboom
Das Haus 3 wurde 1975 bezogen. In dieser Zeit verließen die Babyboomer die Grundschule und es mussten schnell und im großen Maßstab Haupt- und Mittelschulen errichtet werden.
Der Betonskelettbau hat eine Fassade aus vorgehängten Betonfertigteilen. Auf knapp 2.600 Quadratmetern Nutzfläche sind 14 Klassen- und Fachräume, Schulküche, Lehrerzimmer, Verwaltung, Mehrzweckraum und Nachmittagsbetreuung untergebracht. Die Schulräume gruppieren sich um eine große Halle. Nach rund 40 Jahren war eine Sanierung des kompakten, klar geordneten Baus erforderlich. Zunächst sollte die Gebäudehülle, also Dach, Fenster und Fassade er neuert werden.
„Ornament“
Jäcklein Architekten erarbeiteten unterschiedliche Entwürfe für die Fassade und diskutierten sie intensiv mit der Schule und dem Schulverband als Bauherren.
Letztendlich wünschte sich der Bauherr eine verputzte Fassade. Um sie aufzuwerten, entwarfen die Architekten eine ornamentale Struktur – mit Hilfe eigens entworfener und digital aufbereiteter Daten für einen Folienplot. Das Ornament findet sich auch in den Fenstergittern und auf den Betonfertigteilen der Fluchttreppen wieder. Die Fenstergitter ermöglichen zusammen mit den erneuerten, elektrisch zu öffnenden Oberlichtern eine Nachtauskühlung des Gebäudes.
Die ornamentale Struktur des Fenstergitters wurde aus Metallplatten gelasert. Bei den Betonfertigteilen wurden Kunststoffmatrizen in die Schalung eingelegt. Die Bemühungen wurden 2022 mit einem Fassadenpreis belohnt: Dem „Life Challenge Award“ für die beste Fassade Europas im Bereich Sanierung
„Kunst am Bau“
1975 hatte der aus Volkach stammende Künstler Norbert Kleinlein für den Neubau eine Plastik geschaffen. Sie sollte unbedingt erhalten und restauriert werden. Reinhold Jäcklein setzte sich mit dem Künstler in Verbindung, um das Vorgehen abzustimmen. Norbert Kleinlein entschied sich für eine neue Farbfassung. Heute fällt die Skulptur in leuchtendem Magenta schon von weitem auf.
Umbau bei laufenden Schulbetrieb
Das Ausgliedern der Klassen und der Verwaltung, zum Beispiel in Containern, ist mit hohen Kosten verbunden. Deshalb hatten sich Bauherr und Nutzer entschieden, die Sanierung im laufenden Betrieb umzusetzen. Eine Herausforderung. Jeder Arbeitsablauf musste genau getaktet, auf Verzögerungen musste sofort reagiert werden. Das bedeutete mehr Aufwand für die Bauleiter, die noch mehr als sonst auf die Kooperation der Handwerker angewiesen waren. Auch für Lehrer und Schüler gab es Einschränkungen. So war das Gebäude während der gesamten Bauzeit eingerüstet. Auch Lärm ließ sich nicht ganz vermeiden. Geräumt werden mussten aber immer nur die Klassenzimmer, in denen die alten Fenster aus- und die neuen eingebaut wurden.
Durch die abschnittsweise Sanierung verlängerte sich die Bauzeit. Lärmintensive Abbrucharbeiten und die Schadstoffsanierung wurden in die Sommerferien gelegt. Inzwischen treten in Bayern rund 70 Prozent der Grundschüler auf Gymnasien oder Realschulen über. Die Mittelschulen geraten dabei etwas aus dem Blick.
Obwohl gerade sie Aufmerksamkeit verdienen, damit alle Kinder und Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen keine weiterführende Schule besuchen – etwa weil sie noch nicht gut genug Deutsch sprechen – die notwendige Unterstützung bekommen. Das gilt auch für die Schulgebäude, natürlich vor allem für die Qualität der Räume. Jäcklein Architekten wollten der Mittelschule mit der äußeren Erscheinung Wertschätzung bezeugen.
Haus 3 der Verbandsschule
Volkach
Jahnstr. 1
97332 Volkach
Bauherr
Schulverband Volkach
vertr. durch den
Schulverbandsvorsitzenden
Heiko Bäuerlein
Art der Nutzung
Mittelschule
Nutzfläche
2.568 m²
Bruttogrundfläche
4.058 m²
Bruttorauminhalt
15.684 m³
Leistungen Jäcklein Architekten
Gebäudeplanung
Freiflächenplanung
Brandschutznachweis
Energieausweis nach
EnEV 2016
Unterschreitung Primärenergie
Altbau um 46%
Mitarbeit
Dominik Malucha, André Brezina, Anna-Lena Müller
Statik
ALS Ingenieure
Keesburgstr. 17
97074 Würzburg
HLS-Planung
IB Orf & Vizl
Amsterdamstraße 2
97424 Schweinfurt
Elektroplanung
B|Plan GmbH
Friedrich-Bergius-Ring 1
97076 Würzburg
Fertigstellung
Gebäudehülle 2021
Kunst am Bau
Norbert Kleinlein
Hauptstraße 13
97424 Schweinfurt
Text
R.J., Katharina Winterhalter
Fotos
Gerhard Hagen, Bamberg
Auszeichnungen
Baumit Life
Challenge Award
2022 Gewinner
Architektouren 2023
Veröffentlichungen
Unterfränkische
Schule 19/10 Interview
mit Reinhold
Jäcklein zum Bau