Nachhaltigkeit heißt: Nutzen, was da ist
Die viergruppige Kindertagesstätte „Schwalbennest“ der vormaligen Pfarrdörfer Effeldorf und Bibergau, die heute beide Ortsteile der Stadt Dettelbach sind, ist seit Herbst 2022 in Betrieb.
Das von Wiesen und Feldern umgebene, ursprünglich als Verbandsschulhaus errichtete Gebäude auf der Gemarkungsgrenze zwischen Effeldorf und Bibergau wurde 1964 von dem Würzburger Architekten Wolfgang Hetterich realisiert. Zuletzt stand das Gebäude, nur noch mit Zwischennutzungen, belegt größtenteils leer.
Zart und in Teilen sogar filigran und leicht wirkt nun die Kita Schwalbennest, die Jäcklein Architekten aus dem 60er-Jahre-Bau geformt haben. Der heute von einer großzügigen Pergola begleitete Baukörper ist mit einer vorpatinierten Holzfassade eingekleidet, weshalb das Bauwerk an eine Feldscheune erinnert. Im Eingangsbereich werden die Kinder dann auch von munter einfliegenden Schwalben empfangen. Das Wandbild haben die Architekten in die Leistenverkleidung eingefügt und der Moiré-Effekt lässt die Flugkünste der Schwalben sogar im Standbild wahrnehmen.
Die Gebäudemassen selbst sind jetzt elegant in die Flure gelegt, wie ein Bodennest mit Ausblick im und unterm schützenden historischen Baumbestand. „Nutzen, was da ist und erhalten, was trägt“ ist der grundlegende Ansatz der Architekten bei den Bestandsgebäuden, die man in den vergangenen Jahrzehnten saniert, umgenutzt, umgebaut und nachhaltig ertüchtigt oder ergänzt und erweitert hat. Die pädagogische Weiternutzung des ehemaligen Verbandsschulhauses am Rande der Landstraße von Bibergau nach Effeldorf drängte sich so auch deshalb auf, weil die beiden Gebäudeflügel des Bestands für die neue Nutzung wie gemacht sind. – Nur, erkennen musste man das halt.
Weil die Grundstruktur des ehemaligen Verbandsschulhauses erhalten werden konnte, hat man insgesamt 900 Tonnen Bauschutt vermieden und 900 Tonnen Beton, Stahl, Mauerwerk und Holz eingespart. Zwei Kindergartengruppen sind nun im Westflügel und zwei Krippengruppen im ursprünglich dazu versetzt errichteten und jetzt erweiterten Ostflügel des vormaligen Schulhauses untergebracht.
Diese Erweiterung wurde notwendig, damit das umfangreiche Raumprogramm für die Kita umgesetzt werden konnte. Die auf V-Pfosten gestellte und mit einem Gründach versehene Pergola antwortet der verzweigten Natur rhythmisch-orthogonal, als wolle sie Natur, Landschaft und Architektur entlang der Säume miteinander verweben.
Den Verbindungsbau zwischen den beiden erhaltenen Klassentrakten haben die Architekten zu einem Winter- und Lesegarten umgeformt, der innen in den neu eingerichteten Lesetonnen Rückzugsräume für konzentrierte kleine Leserinnen und Leser bietet. Die Kinder, die kindliche Phantasie, die Kreativität der kleinen Nutzer dieser Architektur und ihre Bedürfnisse nach Entfaltung und Entwicklung sind der Maßstab für das Gebäude, die Einrichtung und die Außenspielbereiche.
Und weil der niedrige Verbindungsflur, anders als alle weiteren Räume im Schwalbennest von Effeldorf, ohne Akustikdecken eingerichtet werden musste, haben die Architekten sich eine elegante schallschutz-technische Lösung überlegt: Die Wände sind im Verbindungsflur mit in regelmäßigen Abständen verschraubten Holzleisten ausgeführt, hinter denen ein Schallschutzvlies und Hanfwolle die Schallabsorption übernehmen.
Auf den Pultdächern ernten Solarmodule zukünftig Energie, so dass das Gebäude, das über eine Wärmepumpe verfügt, CO2-neutral betrieben werden kann. Regenwasser wird in der ehemaligen Ausfaulgrube gesammelt und für die Toiletten und Gartenbewässerung genutzt.
Somit ist aus der Überarbeitung eines alten Bestandgebäudes, dessen graue Energie weitgehend erhalten wurde, ein Bauwerk geworden, das mustergültig für die Gegenwart des Bauens ist und zudem in die Zukunft weist. Das gilt für den Baukörper selbst ebenso wie für die gesamte Innenausstattung, die von den Architekten bis ins Detail konzipiert und von örtlichen Schreinern mit heimischen Materialien ausgeführt wurde. Das Gebäude ist wie ein maßgeschneiderter Anzug ganz und gar auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und der Kita-Mitarbeiterinnen zugeschnitten.
Ein bauzeitliches, starkfarbiges Wandbild im Eingangsbereich konnte erhalten werden und setzt nun einen heiteren Buntfarbenakzent in die unaufgeregte Wandgestaltung der Räume. Das Bild, das die Kirchen von Effeldorf und Bibergau, sowie das Schloss in der umgebenden Flur zeigt, darf als Erinnerungsbrücke gelten. Großeltern und Eltern, die heute ihre Enkelkinder oder Kinder in die Kita Schwalbennest bringen, erinnern sich so vielleicht an ihre eigene Schulzeit zurück.
Vollends konsequent legte die Bauherrin in Effeldorf auch die Planung der Außenspielanlagen in die Hände von Jäcklein Architekten. Im Außenbereich hat man auf Flächenversiegelung, wo immer möglich, verzichtet.
Der Birken- und Lindenbestand ist nun von Nuss- und Apfelbaum begleitet und von zahlreichen heimischen Beerensträuchern. Es muss also nicht verwundern, dass man angesichts dieses Ensembles den Eindruck gewinnen kann, es gebe ein Zurück in die Zukunft. Die Kinder sollen mit der Natur und der Umwelt vertraut gemacht werden und vertraut sein. Denn nur, was man kennt und schätzt, das schützt man auch. Folgerichtig sind Spielgeräte aus heimischer Robinie installiert worden, und nicht aus Plastik oder Stahl.
Bauliche Schönheit, städtebauliche Sensibilität, die Aura natürlicher Materialien, Funktionalität in Verbindung mit einer guten Form und die Wertschätzung für die Schöpfung und die Nutzerinnen und Nutzer des Gebäudes feiern in der Kita Schwalbennest jetzt jeden Tag das Leben wie ein Fest.
Kita Schwalbennest
Effeldorfer Str. 1
97337 Dettelbach-Bibergau/Effeldorf
Bauherr
Stadt Dettelbach
Art der Nutzung
Kindertagesstätte
Anzahl der Gruppen
2 Gruppen (1–3 Jahre)
2 Gruppen (3–6 Jahre)
Anzahl der Kinder:
74
Nutzfläche
988 m², incl. Spielfur
Bruttogrundfläche
1.217 m²
Bruttorauminhalt
4.792 m³
Leistungen Jäcklein Architekten
Architektur
Innenarchitektur
Freiflächenplanung
Brandschutznachweis
Energiekonzept
Energieausweis nach GEG 2020
Unterschreitung
Primärenergie um 57%
Mitarbeit
Alexandra Kummer, Shuk Yee Woo,
Dominik Malucha
Statik
ALS Ingenieure, Würzburg
HLS-Planung
Rauch + Richter Ingenieure, Gochsheim
Elektroplanung
EP Elektroplanung, Schwanfeld
Fertigstellung
2022
Text
Rüdiger Klein, Bamberg
Fotos
Gerhard Hagen, Bamberg
Auszeichnungen
Architektouren 2023
nominiert für den
Architekturpreis
des Deutschen
Architekturmuseum
2. Platz in Bayern
für die Kita Effeldorf
für Klima
Kulturkompetenz
Auswahl Ausstellung
„Beispielhafter
Bauten“, ByAK
Publikation im
Architekturführer
Deutschland DOM
Publisher
Veröffentlichung
Auswahl Ausstellung
„Beispielhafter
Bauten“, ByAK
Publikation im
Architekturführer
Deutschland DOM
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Jahrbuch der
Architektur 24/25,
Deutscher Architektur
Verlag