Die Inselstrolche am Weinfriedberg in Nordheim
Selten kommen junges Leben und der Tod so nahe zusammen wie in Nordheim am Weinfriedberg, wo mit Blick auf Maria Schutz und die Vogelsburg seit 2023 der bestehende örtliche Gottesacker und die neuerrichtete Kita Inselstrolche inmitten von Weinbergen friedlich koexistieren.
Hanglage als Chance
Die Architekten haben die Lage am halben Hang über Nordheim genutzt, um den Kita-Neubau über einem talseitigen Sockelgeschoss zu errichten. Diese Staffelung des Baukörpers senkrecht zum Hang erlaubte die Realisierung von zwei Eingängen und von Freibereichen für die Kinder der Krippen-, Kindergarten- und Hortgruppen, die vom benachbarten Friedhof abgewandt sind. So werden die Trauernden und die Toten nicht gestört und die Kita-Kinder haben großzügige Außenspielflächen zur Verfügung.
An den Haupteingang im Erdgeschoss ist der zentrale Mehrzweckraum angeschlossen, der sich, weil mit einer Faltwand versehen, zum Beispiel für Feierlichkeit zum Eingangsbereich hin öffnen und erweitern lässt.
Im Sockelschoss darunter befindet sich neben dem Treppenabgang der Speisesaal, der von den Kindern des Hortes und des Kindergartens genutzt wird.
Barrierefreiheit
Die Kita ist wegen der teilweisen Zweigeschossigkeit barrierefrei mit einem Aufzug und einem Behinderten-WC ausgestattet. Es sollen zudem zukünftig auch Inklusionskinder unkompliziert in die Einrichtung kommen können.
Im Erdgeschoss flankieren hangseitig die Krippe und talseitig der Kindergarten den dazwischen gelegten Eingangsbereich. So können sich die Kinder unterschiedlichen Alters begegnen, verfügen aber auch über ihren eigenen Bereich.
Keine Barriere in der Flur
Das große Gebäude am südöstlichen Ortseingang von Nordheim wirkt keinesfalls wie eine Barriere in der Flur, denn das gegliederte Dach löst die Dachkante auf. Die Satteldächer sind über den Räumen der einzelnen Kita-Gruppen versetzt und in der Höhe rhythmisiert angelegt und zudem in der Farbe der vorpatinierten Holzverkleidung des Gebäudes gehalten. Derart wirkt das Gebäude nicht wie ein Monolith im Weingarten, eher schon wie die Kontur einer kleinen Anhöhe in der Flur.
Die Fenster sind überwiegend bodentief ausgebildet, damit auch die kleinen Kinder einen ungehinderten Blick in die Landschaft erhalten und direkt in ihr Spielgelände gelangen können. Der Ausblick geht wie in einem Urlaubsprospekt hinüber zur Vogelsburg und hinunter zu den Mainauen.
Maßgeschneidertes Innenkleid
Die Einbaumöbel, die Holzverkleidungen und der gesamte Ausbau sind maßgeschneidert. Jäcklein Architekten arbeiten dabei mit örtlichen Schreinern zusammen und planen die Möbel individuell für jede räumliche Situation. Die Holzoberflächen wurden aus gebürsteten, weiß lasierten Fichtebrettern hergestellt. Sparsam eingesetzte farbige Möbelelementen akzentuieren die Räume. Und im Übrigen gilt auch bei diesem Kita-Neubau das Credo der Architekten, wonach sich die Kinder ohne Scheu ihre neuen Räume sehr schnell erobern und gestalten. Das sind dann mit die schönsten Augenblicke und Erfahrungen, die man im Architektenberuf haben und machen kann, erklären die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Architekturbüro Jäcklein unisono.
Offene Türen für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz
Es ist kein Geheimnis, dass Architektur, die ästhetisch gelingen, nachhaltig, energieeffizent und damit auch dauerhaft kostengünstig sein soll, dass diese Architektur nicht nur vom Können der Planer bestimmt ist.
Der Auftraggeber, in diesem Fall die Gemeinde Nordheim, muss beim Kostenrahmen für ein Bauwerk auch eine langfristige Kosten-Nutzen-Rechnung für sich aufmachen. Wer Langlebigkeit, Nachhaltigkeit oder Energieeffizienz für seine Bauwerke will, der muss die Türen für diese besonderen Eigenschaften auch öffnen. Die Gemeinde Nordheim tat das und bekam von den Architekten ein kluges Paket Zukunftsfähigkeit und Gebäude-Resilienz aufgeschnürt.
Durch eine hochwertige Dämmung der Gebäudehülle werden jetzt und in der Zukunft Transmissionswärmeverluste minimiert. Die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung minimiert Lüftungswärmeverluste. Die Fußbodenheizung wird mit einer Wärmepumpe betrieben, die die Wärme aus Erdsonden zieht. Die Fußbodenheizung ermöglicht im Sommer eine Absenkung der Raumtemperatur, indem kühles Wasser durch die Leitungen der Fußbodenheizung geführt wird.
Schließlich ist das Dach des Neubaus für die Aufnahmen einer großflächigen Photovoltaikanlage vorbereitet.
Projektdaten
Neubau Kita Inselstrolche in Nordheim am Main,
Hallburger Weg 9
97334 Nordheim
Bauherr
Gemeinde Nordheim
Art der Nutzung
Kindertagesstätte
Anzahl der Gruppen:
2 Gruppen (1 bis 3 Jahre)
2 Gruppen (3 bis 6 Jahre
2 Gruppen Hort (6 bis 10 Jahre)
Anzahl der Kinder: 124
Nutzfläche
1083 m² + 227 m² Spielflur, Foyer
Bruttogrundfläche
1.554 m²
Bruttorauminhalt
6.350 m³
Leistungen Jäcklein Architekten
Architektur, Innenarchitektur
Freiflächenplanung
Brandschutznachweis
Energiekonzept
Mitarbeit
Julia Jordan
Karsten Otto
Shuk Yee Woo
Nicola Gaiser
Alexandra Kummer
–
Statik: ALS Ingenieure, Würzburg
HLS-Planung: Rauch + Richter, Gochsheim
Elektroplanung: Bplan, Würzburg
Fertigstellung
2023
Text
Rüdiger Klein, Bamberg
Fotos
Gerhard Hagen Bamberg