Eine Gründerzeit-Villa, ein bisschen Weltausstellungs-Pavillon und eine Treppenplastik: wenn einer einen Pavillon baut, dann ist immer ein bisschen Mies van der Rohe mit dabei.
Reinhold Jäcklein bekennt sich denn auch ausdrücklich zu Mies’ berühmtester Architektur-Maxime: „Less is More“
Aber, so Jäcklein im Werkbericht des Büros für die Jahre 2012/2013: „Yes is More“. Dieses große Ja zur modifizierten Baukunst der Moderne stammt von dem dänischen Architekten Bjarke Ingels und es zielt laut Ingels auf eine „pragmatisch utopische Architektur, die das konkrete Ziel verfolgt, sozial, ökonomisch und umweltmäßig perfekte Orte zu schaffen.“
In Frankenwinheim galt es bei der Sanierung des bestehenden Kindergartens im ehemaligen Schwesternhaus, der Erstellung eines neuen Anbaus im Jahr 2014 sowie bei der Errichtung eines weiteren Pavillongebäudes im Jahr 2023, den beiden Prinzipien, dem Less is More und dem Yes is More, Rechnung zu tragen.
Utopien auf die Beine stellen
Utopisch anmutende Architekturideen pragmatisch und ästhetisch vom Kopf auf die Beine zu stellen, das ist eine der besonders ausgeprägten Qualitäten von Jäcklein Architekten. Unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten einen sozial, ökonomisch und umweltmäßig perfekten Ort für die Kinder der Gemeinde zu schaffen, das war in Frankenwinheim die Aufgabe 2014 und auch 2023.
Daher wurde der historische Klinkerbau an der Schallfelder Straße von Grund auf saniert, energetisch ertüchtigt und mit einer Bauteil-temperierung versehen. Die bestehenden Räume der Kindertagesstätte St. Elisabeth wurden neu organisiert, ein Pavillon-Gebäude wurde hinzugefügt und die befestigten Freiflächen haben eine klare Zuordnung zu den einzelnen Nutzungsbereichen erfahren. Im Neubau von 2014, der den von der Straße wegführenden Eingangshof begleitet, ist ein großzügiges Foyer eingerichtet, das sich mit dem anschließenden Mehrzweckraum zusammenspannen lässt, um mehr Platz für größere Veranstaltungen zu gewinnen. Zum Spielhof hin ist der Neubau ebenso wie zum Eingangshof hin großzügig aufgeglast. Die Wandflächen werden im Mies`schen Sinne zu Grenzhinweisen aufgelöst.
Van der Rohe hatte dieses Raumgestaltungsprinzip der fließenden Raumgrenzen erstmals 1929 in seinem wegweisenden Barcelona-Pavillon realisiert. Seither wird es von jeder Architekten-Generation immer wieder gerne aufgegriffen und in Teilen eigen und neu erfunden.
Auf das Klinkermauerwerk des Altbaus reagieren die Architekten am Neubau nicht einfach nur mit gläserner Transparenz oder mit kompakten Läuferverbänden, um Alt und Neu zu kontrastieren, dabei aber das Neue dann doch dem Alten unterzuordnen. Nein, sie erweitern das flache Mauerwerk in die dritte Dimension und konterkarieren das steinerne Strickmuster vor den Nebenräumen des Neubaus mit einem systematisch durchbrochenen Mauerwerks- schleier.
Dem Neubaukörper ist ein Flachdach mit breiter, roter Krempe aufgelegt, die im Eingangsbereich der Kindertagesstätte weit über die Gebäudeflucht hinauskragt, um den neu organisierten Zugang zum barrierefrei erschlossenen Foyer vor Wind und Wetter zu schützen. Die über dem Neubau von 2013 entstandene Dachterrasse ist vom ersten Obergeschoss des Altbaus aus zugänglich und bietet einen erhabenen Außenspielbereich für die Kinder an.
Erweiterung 2023
Eine von Stahlwangen begleitete Außentreppe schlängelt sich ähnlich einer Abenteuerrutsche von der Spieldachterrasse in den Hofbereich hinunter. Diese selbsttragende Treppenplastik wurde nun beim Weiterbau der Anlage im Jahr 2023 zum kunstvollen Scharnier zwischen dem Neuen und dem Neuesten.
Die Kita hat mit dem neuen Pavillongebäude einen großzügigen Speisesaal mit Küche, einen Gruppenraum sowie Personal- und Nebenräume
hinzubekommen. Das auskragende Flachdach ist am Neubau von 2023 einfach aufgenommen – less is more (!) – und der moderne Klinkervorhang webt den Gedanken des innen wie außen als Raum im Raum erfahrbaren Pavillons ganz selbstverständlich fort. Die Dachauskragung überschneidet die Stahltreppenplastik und bindet den älteren und den neusten Neubauteil zusammen.
Kath. Kindergarten St Elisabeth
Schallfelder St.6
97447 Frankenwinheim
Bauherr
Kath. Kirchenstiftung St. Johannes
Frankenwinheim
Art der Nutzung
Kindertagesstätte
Anzahl der Gruppen
1 Gruppe (1–3 Jahre)
2 Gruppen (3–6 Jahre)
Nutzfläche
560 m²
Bruttogrundfläche
718 m²
Bruttorauminhalt
3.667 m³
Leistungen Jäcklein Architekten
Architektur, Innenarchitektur
Freiflächenplanung
Brandschutznachweis
Energiekonzept
Energieausweis nach ENEV 2016
Unterschreitung Primärenergie Um 26%
Mitarbeit
Sebastian Sterk, Christoph Katzenberger,
Julia Dillamar, Yvonne Tan, Ariane Spanheimer
Statik
Ingenieurbüro Hußenöder + Merz, Würzburg
HLS-Planung
Rauch + Richter Ingenieure, Gochsheim
Elektroplanung
Ingenieurbüro Bopp, Schweinfurt
Fertigstellung
2014
Erweiterung
2023
Text
Rüdiger Klein, Bamberg
Erweiterung: Katharina Winterhalter
Fotos
Stefan Meyer
Erweiterung 2023 JA
Auszeichnungen
Architektouren 2015
Veröffentlichung
4 Wände 03/2016, Main-Post