Die Marktgemeinde Randersacker, im Landkreis Würzburg am Maindreieck gelegen, war aus heutiger Perspektive gesehen schon vor Hunderten von Jahren auf das postindustrielle Zeitalter vorbereitet. Man lebte in der ungefähr 3500 Seelen zählenden Gemeinde lange schon vom Fischfang im Main oder von der Steinbrecherei auf den Höhen um den Ort. Die Baukunst der Romanik und eines Balthasar Neumann haben delikate Zeugnisse hinterlassen und der Weinbau ist spätestens mit einer Ortsbeschreibung dokumentiert, die von 779 datiert. In der jüngeren Gegenwart sind kilometerweite Radwanderwege am Main dazu gekommen und damit ist eigentlich das touristische Grundkapital gegeben, das man heutigentags braucht, um national und international wettbewerbsfähig zu sein.
Die Winzerfamilie Schmachtenberger ist für den Weinbau von Randersacker bis zum Ende des 16. Jahrhunderts zurück nachgewiesen.
An der Klosterstraße, auf halbem Weg aus dem Ort hinaus und den Weinlagen am Gerbrunner Grund zu, hat sich die Familie 1930 ein kleines Siedlungshaus mit einer bescheidenen Landwirtschaft erworben. Dem eigenen Weingarten in der „Ewig Leben“-Lage, wollte man damals näher sein und stand mit seinem eher ärmlichen Hausteinhöfchen beinahe allein auf weiter Flur. Zwischenzeitlich ist die Klosterstraße längst von vielen kleinen Siedlerhäusern und üppiger geratenen Wohnhäusern dicht bestanden.
In die Nachbarschaft zur Linken wie zur Rechten war also nicht gut expandieren, als sich vor etwa fünf Jahren abzeichnete, dass mit Markus Schmachtenberger ein junger Spross der Winzerfamilie die Weinbautradition weiterführen würde. Dafür, für den erfolgreichen Aufbruch ins neue Jahrhundert, galt es dann auch moderne und repräsentative Schau- und Verkostungsräume zu schaffen. Denn Premium-Weine werden nicht einfach nur verkauft.
Die Hanglage an der Klosterstraße erlaubte es aber unter Ausnutzung der Geländestufe entlang der Fahrstraße vor dem historischen Baukörper einen zweigeschossigen Neubau zu errichten. Der gibt sich vor der Folie der historischen Hausteinfassade des Bestands mit seiner streng kubischen Form und der schlichten Muschelkalkeinkleidung bescheiden, aber ganz und gar nicht unscheinbar. Im Erdgeschoss des Neubaus ist der Weinverkauf eingerichtet und die Rebsorten werden zusammen mit Hinweisen zu Lagen und Terroir schlicht und edel präsentiert. Im Hanggeschoss, das vom Trottoir aus ebenerdig zu erreichen ist, wurde die neue Weinstube eingerichtet.
So können die Schmachtenbergers seit August 2012 auf der eigenen Homepage dann auch glücklich die Eröffnung ihrer neuen Vinothek mit Blick in den Ewig-Leben-Weingarten anzeigen. Wobei die Lage „Ewig Leben“, die in Randersacker bis ins Jahr 1668 zurück bezeugt ist, mittelhochdeutsch ursprünglich eine Grundüberlassung „zum ewigen lehen“ bezeichnete. Jener Lehens-Begriff war also gemeint, den der Dichter Walther von der Vogelweide im Sinn hatte, als er um das Jahr 1220 herum jubelte: ich han min lehen. Gesammelt ist dieser Dichter-Dank in der Weingartner Liederhandschrift von 1300, in der eine Vignette Walther „uf eime steine“-Berg sitzend zeigt, an dessen Fuß junge Weinstöcke sprießen.
Die Forschung vermutet, es könnte dieses Lehen in Würzburg oder im Umland gelegen haben. Kam Walther von der Vogelweide am Ende doch bis Randersacker?
Bauherr:
Weingut Schmachtenberger
Randersacker
Nutzfläche: 280m²
Bruttorauminhalt: 800m³
Mitarbeit:
Cornelia Berninger
Stella Tan
Stefan Schlicht
Bauzeit:
Mai 2011 bis August 2012
Fotos:
Stefan Meyer, Berlin
Text: Rüdiger Klein, Bamberg
Auszeichnungen:
artouro Bayerischer Tourismus Architektourpreis 2013
Nominierung Architektouren 2013
Veröffentlichungen:
SZ Süddeutsche Zeitung 12.06.2013
Buchveröffentlichung
Die Architektur des Weines
Dirk Meyhöfer, Klaus Frahm
Verlag avedition 2014